- Harmonie -
Wohlklang, Ausgeglichenheit,
Ausgewogenheit,
Abwesenheit von Konflikten
Auf die Frage, was er dem Brautpaar wünscht, antwortet mein Vater „Harmonie – alles was man für die Ehe braucht, ist Harmoniee“. In unserer Familie ist das seitdem ein Running-Gag, der aber in der Praxis Anwendung findet. Streiten sich meine Cousine und ihr Mann um die Fernbedienung, erinnern sie sich gegenseitig an „Onkel Simon`s Harmoniee“ und der unnötige Streit löst sich in Luft auf.
Ein einfacher Anwendungsfall.
Aber wie ist das mit der Harmonie wirklich? Ist dieser manchmal belächelte Zustand eine Möglichkeit, die Liebe in unserer Beziehung zu erhalten?
Ist sie möglich, die Abwesenheit von Konflikten?
Sind gewisse Konflikte notwendig, um Ausgewogenheit zu erreichen?
Welche Faktoren beeinflussen das Konfliktpotential unserer Paarbeziehung?
Der Begriff der Ausgewogenheit findet sich bereits in der chinesischen Philosophie im 3. Jahrhundert vor Christus. Yin und Yang, die Balance von Hell und Dunkel, von Mann und Frau, die eine Einheit ergibt. Die Ausgewogenheit in unserem System, in uns selbst und um uns herum. Dieses Prinzip findet heute z.B. in der Systemischen Therapie Anwendung.
In der griechischen Mythologie finden wir Logos, ein männliches und Egos, ein weibliches Prinzip. Sie gelten als das Gegenstück zueinander und gleichen sich aus. Auch wir tragen weibliche und männliche Anteile in uns.
In der Gegenwart prasseln über Sozial Media und andere Medien gefühlt sämtliche Erkenntnisse der letzten zehntausend Jahre auf uns ein. Coaching, Ratgeber, Mantras > ständige Ermahnungen ein bewusstes, selbst bestimmtes, erfülltes Leben zu führen. Meistens in der Befehlsform: „Wenn dir das Leben Zitronen schenkt, mach Limonade daraus!“ Wir bleiben oft ratlos zurück. Entweder müssen wir das Rezept für Limonade erstmal googeln, oder wir können Limonade nicht ausstehen. Und soviel Zucker? Absolut ungesund…
So werden Begriffe wie BurnOut zu Modeerscheinungen und solche wie Harmonie als esoterischer Kram abgetan. Wir ersticken an der Fülle der Leitfäden und scheitern an der Umsetzung.
Aber reicht vielleicht nur dieser eine Zustand, wie von meinem Vater versprochen?
Also, was beeinflusst die Harmonie in einer Paarbeziehung?
Der aussagekräftigste Faktor ist Streit. Über was Streiten wir und warum?
Warum taucht in dir das Gefühl auf, dass du dich verteidigen, dich durchsetzen oder für dich einstehen musst? Schon zeigt sich uns der nächste wichtige Faktor: deine Bedürfnisse.
Eines deiner Bedürfnisse wird nicht befriedigt. Jeder hat Bedürfnisse, wie gesehen und gehört zu werden, Anerkennung, Hunger, körperliche Nähe…
Also, einfache Lösung: wir erstellen einen Partner-Bedürfniskatalog und alles ist gut.
Aber so einfach ist es leider nicht. Jeder hat individuelle Bedürfnisse. Das liegt an unseren unterschiedlichen Charakteren, Persönlichkeitsstrukturen und den Prägungen aus unserer Kindheit.
Für unsere kleinen Streitigkeiten im Alltag können wir uns aber an einem kleinen Leitfaden orientieren:
Du merkst wie Ärger oder Wut in dir Aufsteigen? Halte kurz inne – warum? Welches meiner Bedürfnisse meldet sich? Und – habe ich dieses Bedürfnis meinem/r Partner/in schon mitgeteilt?
Bei der Fähigkeit „jeden Wunsch von den Augen abzulesen“ handelt es sich wohl eher um eine romantisch verklärte, hellseherische Superkraft als eine uns angeborene Fähigkeit.
Als erstes machen wir uns also unser Bedürfnis bewusst.
Warum hab ich dieses Bedürfnis?
Ist es neu entstanden oder liegt der Ursprung in der Vergangenheit?
Hat mein/e Partner/in überhaupt etwas damit zu tun?
Einfach gesagt, hab ich Hunger und bin ich deswegen hangry? Oder reagiere ich über, weil ich mich nicht gesehen fühle, das aber an dem Gefühl aus meiner Kindheit liegt, ständig von meiner Mutter übersehen worden zu sein? Das klingt jetzt schon schwieriger, es lohnt sich aber darüber nachzudenken. Vor allem wenn ich selbst das Gefühl habe, öfters über zu reagieren.
Ist mein Gegenüber also der richtige Empfänger?
In einer Runde von „alltagsgeplagten Müttern“ hörte ich folgendes Beispiel:
„Es hat mich so aufgeregt, dass er so unordentlich ist. Ich hab mich geärgert und es gab oft Streit deswegen. Bis ich gemerkt habe, dass Ordnung für mich eine vollkommen andere Priorität hat als für ihn. Ihm ist das nicht wichtig. Also ist es mein Bedürfnis nach Ordnung, das ich ihm auferlege. Seitdem räume ich auf, weil ich es so haben will und es ist okay für mich.“ Ich konnte während des Zuhörens auch etwas von der abfallenden Last spüren. In diesem Fall gleicht sie selbst aus, um zumindest was das Thema Ordnung angeht, für Harmonie zu sorgen.
Stelle ich fest, dass mein Bedürfnis wichtig für mich und meine/n Partner/in ist, teile ich es ihm/ihr mit.
Als Partner/in und Empfänger/in nehme ich die Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse ernst. Ich bewerte sie wiederum für mich. Kann ich den Wunsch erfüllen oder einen Kompromiss finden? Kann ich hier etwas zum Gleichgewicht beitragen? Natürlich ist es auch wichtig, meinem/r Partner/in das Ergebnis meiner Überlegungen mitzuteilen.
Wir sind mitten drin, Faktor 3: Kommunikation
Der kleine Leitfaden für Alltagsstreitereien zusammengefasst:
Zur Harmonie im Alltag können wir selbst einiges beitragen, aber wie ist es mit den grundlegenden Themen?
Ist es das, was mein Vater mit seinem Wunsch an das Brautpaar gemeint hat?
Als ich mit meinem Vater über das Ende einer Beziehung und die Gründe für die Trennung gesprochen habe - ich fühlte mich in der Beziehung ausgelaugt, benutzt und überlegen - entgegnete er, dass die Harmonie gefehlt habe. In diesem Moment wurde mir klar, wieviel Wissen in „Onkel Simon´s Harmoniee“ steckt. Es geht um viel mehr als nur die Fernbedienung.
Es geht darum, wie wir in unseren grundlegenden Einstellungen und Eigenschaften harmonieren.
Was ist mir wichtig?
Welche Werte habe ich? Welche Ansichten?
Haben wir in einer Partnerschaft grundlegend unterschiedliche Wertvorstellungen wird es schwierig.
Auch wenn wir unterschiedliche Lebenspläne haben.
Covid hat uns gezeigt, dass auch verschiedene politische Einstellungen eine Herausforderung sind.
Wir können den selben Lebensplan haben, und trotzdem können uns unsere unvereinbaren Eigenschaften an einem harmonischen Zusammensein hindern.
Treffen unsere oben gesammelten Faktoren auch auf das große Ganze zu?
Über die Differenzen, die wir zu grundliegenden Themen haben, bekommen wir ebenso die Chance, diese zu bewerten.
Was wünsche ich mir von meiner Beziehung? Sicherheit? Versorgung? Unabhängigkeit? Eine tiefe Verbindung?
Ist mein Gegenüber der richtige Ansprechpartner für meine Bedürfnisse? Und können wir uns (wenn wir das wollen) austauschen?
Fügen wir alle unsere gewonnenen Erkenntnisse zusammen, muss ich zugeben, hört es sich an, wie eine der Insta- Weisheiten für ein erfülltes Leben.
Es geht um mich und dich. Es geht darum, herauszufinden, was wir wollen.
Welche Ansichten, welche Eigenschaften, welche Bedürfnisse habe ich? Welche Art von Beziehung möchte ich führen?
Wenn ich das weiß, werde ich meine Beziehung bewerten können.
Ohne die rosarote Brille der ersten Verliebtheit.
Wenn Harmonie das ist, was ich will, werde ich sie ohne sie zu schonen einer Prüfung unterziehen. Muss ich grundlegende Kompromisse schließen, wie z.B. einen Kinderwunsch, muss ich mich entscheiden. Gehe ich diesen Kompromiss ein? Oder ziehe ich lieber weiter?
Wenn ich den Kompromiss eingehe, werde ich wie die Frau, die selbst für Ordnung sorgt, die Verantwortung für meine Entscheidung tragen.
Ich bin ganz bei mir und mit dir ergänze ich mich zu einem großen Ganzen.
Ich denke das ist das Geheimnis der Harmonie. ...was für ein weiser Mann, mein Papa.
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